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Ostschweizer Wirtschaft weiter in guter Verfassung – kommt die wirtschaftliche Abkühlung?

Konjunkturelle Entwicklung in der Kernregion Ostschweiz Ostschweizer Wirtschaft weiter in guter Verfassung – kommt die wirtschaftliche Abkühlung?

22. November 2022 | Die Ostschweizer Wirtschaft präsentiert sich weiterhin in guter und stabiler Verfassung. Die erwartete Abkühlung der Wirtschaft ist trotz schwacher Daten aus dem Ausland bislang noch nicht eingetreten. Kommt der wirtschaftliche Rückgang überhaupt?

Die aktuelle Geschäftslage ist bei den Ostschweizer Unternehmen weiter gut und zeigt, im Gegensatz zur Gesamtschweiz und dem nahen Ausland, vorerst kaum Bremsspuren. «Die konjunkturelle Entwicklung in der Ostschweiz präsentiert sich trotz Lieferschwierigkeiten, steigender Preise und dem Fach- und Arbeitskräftemangel weiter in überraschend stabiler Verfassung», meint Beat Schiffhauer, Konjunktur- und Finanzexperte der St.Galler Kantonalbank. «Einzig stark vernetzte und international exponierte Branchen wie der Grosshandel und die Industrie erwarten eine Abnahme der Nachfrage in den kommenden Monaten», so Schiffhauer. Die konjunkturelle Entwicklung in der Gesamtschweiz zeigt sich hingegen deutlich schwächer als in der Ostschweiz. Gesamtschweizerisch ist die Abkühlung bereits ersichtlich, wenn auch noch auf hohem Niveau. «Die Notenbanken werden weiter an der Zinsschraube drehen, um den Inflationsdruck zu bremsen. Das wird Folgen für die künftige wirtschaftliche Entwicklung haben. Entsprechend wird die Abkühlung unweigerlich auch in der Ostschweiz ankommen», meint Schiffhauer.

Baugewerbe und Detailhandel weiter gut unterwegs

Trotz der historisch tiefen Konsumentenstimmung zeigen sich die Detailhandelsumsätze in der Gesamtschweiz robust und nahmen im September deutlich zu. Die weiterhin hohe Jobsicherheit dürfte eine gewichtige Stütze dabei sein. «Zudem gleicht sich durch die hohe Inflation im nahen Ausland das Preisniveau zunehmend an», meint Alessandro Sgro, Chefökonom der IHK St.Gallen-Appenzell. «Dies macht den Einkaufstourismus weniger attraktiv und ist eine zusätzliche Stütze, insbesondere für den Ostschweizer Detailhandel», fügt Alessandro Sgro an. Auch die Bauwirtschaft scheint vorerst dem weniger attraktiv werdenden Zinsumfeld zu trotzen. Viele Unternehmen haben ihre Bücher noch auf mehrere Monate hinaus voll und sind entsprechend ausgelastet. «Bei den Bauunternehmen ist es in erster Linie der Mangel an Arbeitskräften und nicht der Mangel an Materalien und Vorprodukten das Hauptproblem. Letzterer ist seit diesem Sommer deutlich weniger stark ausgeprägt als der Mangel an Arbeitskräften», sagt Sgro.

Abb.: Ostschweizer Unternehmen zeigen sich trotz diverser Belastungsfaktoren zufrieden
Die Unternehmen berichten von einer guten Geschäftslage, der Stimmungsbarometer liegt aber unter die wichtige Marke von 100 Punkten.
(Ausführungen zu Methodik und Interpretation am Ende des Dokuments)

Arbeitskräftemangel verschärft sich weiter

Um ihre Aufträge fristgerecht und in hoher Qualität auszuführen, benötigen die Unternehmen Personal. Der Personalbestand wird in den meisten Branchen als zu tief eingeschätzt. Lediglich die Industrieunternehmen beurteilen die Zahl der Beschäftigten als angemessen. In den nächsten drei Monaten ist insbesondere im Gastgewerbe, im Grosshandel und bei den Übrigen Dienstleistungen eine Erhöhung der Beschäftigten möglich. Jedoch bekunden weiter immer mehr Unternehmen Mühe, Arbeitskräfte zu rekrutieren. Der Arbeitsmarkt ist ausgetrocknet. Aktuell liegt die Arbeitslosenquote in der Kernregion Ostschweiz bei 1.5% – so tief wie seit November 2001 nicht mehr. Noch nie war der Anteil der Unternehmen, die einen Mangel an Arbeitskräften beklagten, so hoch. In der Region St.Gallen-Appenzell sind rund 42% der befragten Industriebetriebe von einem Arbeitskräftemangel betroffen. Im Baugewerbe sind es rund 60% der Unternehmen. Dabei ist bei den Bauunternehmen der Arbeits- und Fachkräftemangel mittlerweile gar stärker ausgeprägt als der Mangel an Materialien und Vorprodukten. Einzig im Grosshandel (26%) und bei den Finanz- & Versicherungsdienstleitungen (37%) ist bezüglich Arbeits- und Fachkräftemangel eine leichte Entspannung ersichtlich. Diese Entwicklung ist allerdings vor allem auf eine verschlechterte Geschäftstätigkeit zurückzuführen.

Abb.: Arbeitskräftemangel verschärft sich weiter
Die Unternehmen in der Region möchten den Personalbestand ausbauen. Die Rekrutierung von Personal bleibt schwierig, auch wenn es sich vereinzelt etwas entspannt hat.

Konjunkturboard Ostschweiz

Das Konjunkturboard Ostschweiz beurteilt quartalsweise die konjunkturelle Entwicklung der Ostschweizer Wirtschaft in den Hauptbranchen Industrie, Detailhandel, Dienstleistungen und Bau. Das Konjunkturboard setzt sich von Seiten der IHK St.Gallen-Appenzell aus Alessandro Sgro, Chefökonom IHK, Jan Riss, wissenschaftlicher Mitarbeiter IHK, von Seiten der St.Galler Kantonalbank aus Caroline Hilb Paraskevopoulos, Leiterin Anlagestrategie und Analyse SGKB, sowie Beat Schiffhauer, Senior Konjunktur- und Finanzexperte SGKB, zusammen. Die Ökonomin und die drei Ökonomen kommentieren quartalsweise die Konjunkturlage in der Ostschweiz und bringen diese in den nationalen und globalen Kontext. Ergänzt wird das Gremium um Jérôme Müggler, Direktor IHK Thurgau, Karin Jung, Leiterin Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons St.Gallen, Thomas Reinhard, Leiter Projekte und Wirtschaftsfragen Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Thurgau sowie Daniel Lehmann, Leiter Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Appenzell Ausserrhoden. Diese breite Kombination bündelt verschiedene Kompetenzen und ermöglicht eine ganzheitliche sowie konsistente Einschätzung zur konjunkturellen Entwicklung in der Region.

Die Resultate und Analysen der aktuellen Umfrage können auf der Plattform www.konjunkturboard.ch abgerufen werden. Hier finden sich zudem Kontaktinformationen der jeweiligen Konjunkturboard-Mitglieder.

Konjunkturindizes für die Kernregion Ostschweiz

Um auf schnelle, aber präzise Art und Weise ein systematisches Bild über die Verfassung der Ostschweizer Wirtschaft zu erhalten, sind gesamtwirtschaftliche Konjunkturindizes zentral. Für die Kernregion Ostschweiz stehen zwei Indizes zur Verfügung: Geschäftslageindikator und Stimmungsbarometer.

Der Geschäftslageindikator basiert auf monatlichen oder quartalsweisen Unternehmensbefragungen der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich zur aktuellen Einschätzung der Geschäftslage. Dabei geben die befragten Unternehmen ihre Einschätzung mit «gut», «befriedigend» oder «schlecht» an. Der Saldowert zwischen «gut» und «schlecht» – also die Differenz der Prozentanteile – widerspiegelt die aktuelle Geschäftslage. Je höher dieser ist, desto besser schätzen die Unternehmen die aktuelle Geschäftslage ein. Die Aggregation der branchenspezifischen Beurteilung der Geschäftslage ergibt den Geschäftslageindikator.

Der Stimmungsbarometer ist ein breit angelegter Indikator, der die Stimmung in Unternehmen und privaten Haushalten misst und dient dazu, das BIP-Wachstum zu verfolgen. Ein Wert über 100 deutet auf eine überdurchschnittliche wirtschaftliche Einschätzung hin, während Werte unter 100 eine unterdurchschnittliche Einschätzung signalisieren. Der Stimmungsbarometer ist so standardisiert, dass er meistens zwischen 90 und 110 Punkten liegt.

Die beiden Indikatoren werden gemeinsam von der IHK St.Gallen-Appenzell und der St.Galler Kantonalbank erhoben. Sie werden mit der gleichen Methodik berechnet wie die gesamtschweizerischen Indikatoren der KOF.

Die jeweiligen Konjunkturindizes können auf www.konjunkturboard.ch abgerufen werden. Sie werden monatlich aktualisiert.