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Ostschweizer Wirtschaft mit steigenden Preisen konfrontiert

Konjunkturelle Entwicklung in der Kernregion Ostschweiz Ostschweizer Wirtschaft mit steigenden Preisen konfrontiert

17. Mai 2022 | Die konjunkturelle Lage in der Ostschweiz ist weiterhin gut, aber die Belastungsfaktoren nehmen zu. Der Mangel an Materialien und Vorprodukten sowie die Preissteigerungen belasten die Planungssicherheit bei den Unternehmen und beginnen die Konjunkturdynamik abzubremsen. Der Arbeits- und Fachkräftemangel hat sich zudem akzentuiert. Der Anteil an Unternehmen, die einen Personalmangel beklagen, ist so hoch wie nie.

Der Geschäftslageindikator der Kernregion Ostschweiz notiert auf hohem Niveau und deutlich über dem Stand des Indikators für die Gesamtschweiz. Ein Grossteil der Unternehmen schätzt die aktuelle Lage als gut bis sehr gut ein. Insbesondere die Binnenmarkt-orientierten Sektoren stufen die aktuelle wirtschaftliche Situation als erfreulich ein. Der Detailhandel stabilisiert sich auf hohem Niveau. Belastend wirken dürfte allerdings in den kommenden Monaten die merklich eingetrübte Konsumentenstimmung. Der Krieg in der Ukraine und die sinkende Kaufkraft aufgrund steigender Preise drücken auf die Stimmung. Das Gastgewerbe profitiert von der Aufhebung der Corona-Massnahmen. Durch die Rückkehr an den Arbeitsplatz besuchen auch über Mittag wieder mehr Gäste ein Restaurant. Im Baugewerbe ist die Auftragslage sehr gut und auch die Stimmung ist in den Ostschweizer Betrieben positiv. Für das aktuelle Quartal wird mit einer leicht höheren Bautätigkeit gerechnet. Deutlich verschärft haben sich unterdessen aber auch im Bau die Lieferschwierigkeiten sowie die Preisentwicklung: 59% der befragten Unternehmen im Bausektor beklagen einen Mangel an Materialen und Vorprodukten, deutlich mehr als noch im Vorquartal, als rund ein Drittel der Unternehmen Probleme bei der Beschaffung meldete. Im Gegensatz zur Binnenwirtschaft hat sich in der Industrie die Stimmung bereits merklich eingetrübt. Zwar ist die Auftragslage gut, die verschärften Probleme bei der Beschaffung von Halbfabrikaten und Rohstoffen sowie die Preissteigerungen für Vorprodukte erschweren jedoch die Planbarkeit. Am stärksten ist die Belastung im Maschinen- und Fahrzeugbau sowie in der Elektronik- und Elektrotechnikbranche. Im Maschinen- und Fahrzeugbau sind schweizweit vier von fünf Unternehmen von Lieferproblemen betroffen.  

Chinesische Corona-Nulltoleranzpolitik und Energiepreise in der Ostschweiz spürbar

Unterdessen sind die Lieferschwierigkeiten und der Mangel an Vorprodukten nicht mehr nur ein Problem der international vernetzten Industrie, sondern haben fast sämtliche Branchen erfasst. «Die Lieferprobleme dürfte sich auch in der Ostschweiz noch weit in dieses Jahr hineinziehen.» sagt Beat Schiffhauer, Konjunktur- und Finanzexperte der St.Galler Kantonalbank. «Insbesondere, weil aus China keine Anzeichen einer Änderung der aktuellen Corona-Nulltoleranzpolitik zu erkennen sind.» Gleichzeitig führen die hohen und stark schwankenden Energiepreise zu Preissteigerungen bei energieintensiven Vorprodukten. Der Preiserhöhungsdruck bei den Unternehmen bleibt hoch. Aufgrund des Krieges in der Ukraine und den damit verbundenen Sanktionen seitens der EU und der USA ist hier nicht mit einer Entspannung zu rechnen. «Entscheidend bleibt der Grad der Verflechtung der Ostschweiz mit der unmittelbar betroffenen EU. Gerade die eng mit uns verzahnte süddeutsche Industrie ist ein gewichtiger Faktor für die hiesigen Unternehmen. Produktionsausfälle und Kostendruck wirken sich schnell auf unsere Firmen aus», fügt Schiffhauer an.

Wirtschaftliche Situation weiter gut, Belastungen nehmen aber zu

Geschäftslageindikator vorerst stabil, Stimmungsbarometer trübt sich ein
(Ausführungen zu Methodik und Interpretation am Ende des Dokuments)

Fachkräfte- wird zum Arbeitskräftemangel

Neben den Preissteigerungen und Lieferschwierigkeiten ist der Mangel an Arbeitskräften ein zusätzliches Erschwernis für die Unternehmen. Dieser akzentuiert sich branchenübergreifend. «Noch nie war der Anteil der Unternehmen, die einen Mangel an Arbeitskräften beklagten, so hoch», sagt Jan Riss, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der IHK St.Gallen-Appenzell. In der Region St.Gallen-Appenzell sind rund 38% der befragten Industriebetriebe von einem Arbeitskräftemangel betroffen. Im Baugewerbe ist es unterdessen jedes zweite Unternehmen. «Im Unterschied zu vor der Corona-Krise ist es nicht mehr nur ein Fachkräftemangel, sondern in zahlreichen Branchen ein Arbeitskräftemangel insgesamt», ergänzt Riss. Ein Blick auf die offenen Stellen stützt diese Erkenntnis. Der überwiegende Anteil der gesuchten Arbeitsprofile in der Ostschweiz betrifft Jobs mit vergleichsweise tiefen Qualifikationsanforderungen. Die Gründe für den Arbeitskräftemangel sind vielschichtig: «Mit der einsetzenden Pensionierungswelle der Babyboomer-Generation öffnet sich demografisch bedingt eine grosse Lücke am Arbeitsmarkt», so Riss. Durch die Pandemie verliessen zudem viele Arbeitnehmende ihren angestammten Beruf und orientierten sich um. Ein Zurück in den vorherigen Job kommt für viele nicht mehr in Frage. «Gleichzeitig ist der Bedarf an Arbeits- und Fachkräften durch die gut laufende Konjunktur in fast allen Segmenten gestiegen», erklärt Riss. Viele Unternehmen machen zunehmend Konzessionen, um ihre Mitarbeitenden bei der Stange zu halten.

Arbeitskräftemangel akzentuiert sich

Die Unternehmen in der Region möchten den Personalbestand ausbauen. Die Rekrutierung von Personal wird jedoch immer schwieriger.

Die Unternehmen des Detailhandels, des Baugewerbes und verarbeitenden Gewerbes werden monatlich befragt, wie sie die Zahl der Beschäftigten in den nächsten Monaten entwickeln wird. Die befragten Unternehmen können die Frage mit «steigen», «gleichbleiben» oder «sinken» beantworten. Der Saldowert der gegenwärtigen Einschätzung zur Beschäftigungsentwicklung in den nächsten drei Monaten entspricht der Differenz der Prozentanteile der Antworten «steigen» und «sinken». Ein Wert über Null deutet darauf hin, dass die Zahl der Beschäftigten in den nächsten drei Monaten eher steigen wird, während ein Wert unter null eher einen Abbau der Zahl der Beschäftigten signalisiert.                                                                                                                                                      Quellen: Konjunkturboard Ostschweiz, KOF ETH Zürich, Staatssekretariat für Wirtschaft

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Konjunkturboard Ostschweiz

Das Konjunkturboard Ostschweiz beurteilt quartalsweise die konjunkturelle Entwicklung der Ostschweizer Wirtschaft in den Hauptbranchen Industrie, Detailhandel, Dienstleistungen und Bau. Das Konjunkturboard setzt sich von Seiten der IHK St.Gallen-Appenzell aus Alessandro Sgro, Chefökonom IHK, Jan Riss, wissenschaftlicher Mitarbeiter IHK, von Seiten der St.Galler Kantonalbank aus Caroline Hilb Paraskevopoulos, Leiterin Anlagestrategie, und Analyse SGKB sowie Beat Schiffhauer, Senior Konjunktur- und Finanzexperte SGKB, zusammen. Die Ökonomin und die drei Ökonomen kommentieren quartalsweise die Konjunkturlage in der Ostschweiz und bringen diese in den nationalen und globalen Kontext. Ergänzt wird das Gremium um Jérôme Müggler, Direktor IHK Thurgau, sowie Karin Jung, Leiterin Amt für Wirtschaft des Kantons St.Gallen. Diese breite Kombination bündelt verschiedene Kompetenzen und ermöglicht eine ganzheitliche sowie konsistente Einschätzung zur konjunkturellen Entwicklung in der Region.

Die Resultate und Analysen der aktuellen Umfrage können auf der neuen Plattform www.konjunkturboard.ch abgerufen werden. Hier finden sich zudem Kontaktinformationen der jeweiligen Konjunkturboard-Mitglieder.

Konjunkturindizes für die Kernregion Ostschweiz

Um auf schnelle, aber präzise Art und Weise ein systematisches Bild über die Verfassung der Ostschweizer Wirtschaft zu erhalten, sind gesamtwirtschaftliche Konjunkturindizes zentral. Für die Kernregion Ostschweiz stehen zwei Indizes zur Verfügung: Geschäftslageindikator und Stimmungsbarometer.

 

Der Geschäftslageindikator basiert auf monatlichen oder quartalsweisen Unternehmensbefra­gungen der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich zur aktuellen Einschätzung der Geschäftslage. Dabei geben die befragten Unternehmen ihre Einschätzung mit «gut», «befriedigend» oder «schlecht» an. Der Saldowert zwischen «gut» und «schlecht» – also die Differenz der Prozentanteile – widerspiegelt die aktuelle Geschäftslage. Je höher dieser ist, desto besser schätzen die Unternehmen die aktuelle Geschäftslage ein. Die Aggregation der branchenspezifischen Beurteilung der Geschäftslage ergibt den Geschäftslageindikator.

Der Stimmungsbarometer ist ein breit angelegter Indikator, der die Stimmung in Unternehmen und privaten Haushalten misst und dient dazu, das BIP-Wachstum zu verfolgen. Ein Wert über 100 deutet auf eine überdurchschnittliche wirtschaftliche Einschätzung hin, während Werte unter 100 eine unterdurchschnittliche Einschätzung signalisieren. Der Stimmungsbarometer ist so standardisiert, dass er meistens zwischen 90 und 110 Punkten liegt.

Die beiden Indikatoren werden gemeinsam von der IHK St.Gallen-Appenzell und der St.Galler Kantonalbank erhoben. Sie werden mit der gleichen Methodik berechnet wie die gesamtschweizerischen Indikatoren der KOF.

Die jeweiligen Konjunkturindizes können auf www.konjunkturboard.ch abgerufen werden. Sie werden monatlich aktualisiert.