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Erholung der Ostschweizer Wirtschaft schreitet weiter voran – Wind frischt auf

Konjunkturelle Entwicklung in der Kernregion Ostschweiz Erholung der Ostschweizer Wirtschaft schreitet weiter voran – Wind frischt auf

24. August 2021 | Die Ostschweizer Konjunktur hat im zweiten Quartal 2021 deutlich an Fahrt aufgenommen und an Breite gewonnen. Neben dem weiterhin starken Industriesektor konnte im zweiten Quartal auch der Detailhandel deutlich zulegen. Die Bauwirtschaft zeigt eine stabile Entwicklung. Die Binnenwirtschaft machte Boden gut und schliesst zur bereits starken Exportwirtschaft auf. Allerdings verläuft diese positive Entwicklung nicht reibungslos: Die Unternehmen sehen sich wegen der sehr guten Nachfrage und Lieferengpässen mit steigenden Einkaufspreisen konfrontiert. Die Unternehmen erwarten, dass sich die Erholung mit einem tieferen Tempo fortsetzt. Am Arbeitsmarkt zeigt sich die konjunkturelle Erholung erst teilweise.

Der Geschäftslageindikator zeigt auch im abgelaufenen Quartal nochmals eine klare Erholung in der Kernregion Ostschweiz und notiert unterdessen auf einem Mehrjahreshoch. Alessandro Sgro, Chefökonom der Industrie- und Handelskammer (IHK) St.Gallen-Appenzell, sagt dazu: «Die gesamtwirtschaftliche Erholung schreitet weiter voran. Sowohl die Auslandnachfrage als auch die verbesserte Konsumentenstimmung wirken dabei unterstützend.» Beat Schiffhauer, Finanz- und Konjunkturexperte der St.Galler Kantonalbank (SGBK), ergänzt: «Die konjunkturelle Lage weist in der Ostschweiz gar eine positivere Dynamik auf als in der Gesamtschweiz. Insbesondere in den Sektoren Industrie und Detailhandel legte die Ostschweizer Wirtschaft auf breiter Basis zu».

Die wirtschaftliche Erholung dauert bereits über ein Jahr an
Geschäftslageindikator und Stimmungsbarometer weiter verbessert (Ausführungen zu Mehtodik und Interpretation am Ende des Artikels) 

Detailhandel nimmt Fahrt auf – Onlinehandel weiter attraktiv

Im zweiten Quartal hat sich die Einschätzung bezüglich der Geschäftslage bei den Detailhandelsunternehmen deutlich verbessert. Die Kauflust der Konsumenten zeigt sich im mengenmässigen Absatz und ist zu einem grossen Teil auf die überdurchschnittlich gute Konsumentenstimmung zurückzuführen. Der Detailhandel profitiert zudem weiterhin vom reduzierten Einkaufstourismus. Dieser befindet sich noch unter dem Vorkrisenniveau. So wird auch im aktuellen Quartal mit einer Stabilisierung auf hohem Niveau gerechnet. Jedoch haben sich die Konsumentenpräferenzen verändert: Trotz Öffnungsschritten setzt sich der Trend weg vom stationären hin zum Onlinehandel fort. Viele Detailhändler haben entsprechend ihr eigenes Online-Angebot ausgebaut oder sich Plattformen angeschlossen.

Industrie erneut mit deutlicher Verbesserung – Bauwirtschaft stabil auf gutem Niveau

Auch bei den Industrieunternehmen hat sich die Einschätzung zur Geschäftslage im vergangenen Quartal nochmals deutlich verbessert und wird aktuell besser beurteilt als vor der Pandemie. Dies widerspiegelt sich auch im Auslastungsgrad der Produktionskapazitäten, der sich deutlich über dem langfristigen Durchschnitt befindet. In der Region St.Gallen-Appenzell ist der Auslastungsgrad der Produktionskapazitäten gar so hoch wie seit der Finanzkrise nicht mehr. Zudem hat sich der Auftragsbestand in den letzten drei Monaten dank der hohen Auslandnachfrage deutlich verbessert. Das erhöht die Planungssicherheit bei den Unternehmen.

In der Bauwirtschaft stabilisierte sich die bereits vorher gute Geschäftslage auf hohem Niveau. Das zeigt sich besonders im Auslastungsgrad der Maschinen- und Gerätekapazitäten, der zuletzt nochmals zugenommen und gar den höchsten Stand seit der Jahrtausendwende erreicht hat. Die erfreuliche Entwicklung ist dabei auf die gestiegene Nachfrage zurückzuführen. Zudem konnte die Bautätigkeit das zweite Quartal in Folge gesteigert werden, nachdem sie während eines Jahres abgenommen hatte. Die Witterungsbedingungen bremsten den Geschäftsgang jüngst etwas.

Ausblick: Preisentwicklung bereitet Sorgen

Ein Grossteil der Ostschweizer Unternehmen ist zuversichtlich, dass die Erholung anhält. Die Dynamik flacht jedoch ab. Dies ist in erster Linie dem Basiseffekt und der starken Erholung der letzten Monate geschuldet. Insgesamt gewinnt die konjunkturelle Erholung aber weiter an Breite. Für die nächsten Quartale bleibt eine erfolgreiche Impfkampagne zentral, um erneute Einschränkungen vermeiden zu können. Sorgen bereitet den Unternehmen die Preisentwicklung der Rohstoffe und halbfertigen Güter. Ein erheblicher Teil der Unternehmen geht von steigenden Einkaufspreisen aus. Die steigenden Kosten können jedoch über alle Branchen hinweg zumindest teilweise an ihre Kunden weitergegeben werden. «Allerdings befinden sich nicht alle Unternehmen in der komfortablen Lage, dass sie über Preisgestaltungsmacht verfügen. Entsprechend kann die aktuelle Preisentwicklung die Gewinnmargen belasten. Der hohe Wettbewerb verstärkt diesen Effekt», führt Beat Schiffhauer aus. Mit langfristig steigenden Preisen rechnen die Ökonomen des Konjunkturboards aber nicht. Alessandro Sgro ergänzt: «Mittel- bis langfristig dürfte die Preisentwicklung in der Schweiz stabil bleiben. Denn dank der guten Nachfrage investieren die Unternehmen in die Erweiterung ihrer Kapazitäten, was die Preise langfristig senken wird».

Entwicklung der Einkaufspreise weiter angespannt
Die Industrie erwartet erneut eine deutliche Steigerung der Einkaufspreise und kann diese teilweise weitergeben.

Die Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes werden monatlich befragt, wie sie die Entwicklung der Einkaufs- und Verkaufspreise beurteilen. Die befragten Unternehmen können die Frage mit «zunehmen», «gleich bleiben» oder «abnehmen» beantworten. Der Saldowert ist die Differenz der Prozentanteile der Antworten «zunehmen» und «abnehmen». Ein Wert über Null deutet darauf hin, dass in den nächsten drei Monaten ein Preisanstieg erwartet wird, während ein Wert unter Null ein Preisrückgang signalisiert.

Weitere Entspannung am Arbeitsmarkt, vollständige Erholung benötigt Zeit

Die wirtschaftliche Erholung führt zu einer deutlichen Entspannung am Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote befindet sich wieder im 10-Jahres-Durchschnitt. Die Industrie- und Detailhandelsunternehmen zeigen sich ob der aktuellen Beschäftigungssituation mehrheitlich zufrieden. Noch im letzten Quartal gaben die Unternehmen im Detailhandel und in der Industrie an, eher zu viele als zu wenige Mitarbeitende zu beschäftigen. Dank Kurzarbeit sowie der in den letzten Quartalen guten konjunkturellen Entwicklung konnten grössere Entlassungswellen verhindert werden. Der Arbeitskräftemangel und entsprechend daraus abgeleitet auch der Fachkräftemangel akzentuieren sich wieder – und zwar nicht nur in der Industrie und im Baugewerbe. Auch in von der Krise stark gebeutelten Branchen wie dem Gastgewerbe fehlen die Bewerber für offenen Stellen. Die Situation am Arbeitsmarkt hat sich zwar weiter entspannt. Ein Blick auf die abgerechneten Kurzarbeitsentschädigungen offenbart aber, dass die Erholung noch Zeit benötigt. Auch die Arbeitslosenquote der 50- bis 64-Jährigen verharrt auf vergleichsweise hohem Niveau. Allerdings sinken die Arbeitslosenquoten im Vergleich zu den übrigen Wirtschaftsindikatoren immer später.

Weitere Entspannung am Arbeitsmarkt 
Im Durchschnitt schätzen die Unternehmen ihren Personalbestand als angemessen ein. 

Die Unternehmen des Detailhandels, des Baugewerbes und verarbeitenden Gewerbes werden monatlich befragt, wie sie die Zahl der Beschäftigten beurteilen. Die befragten Unternehmen können die Frage mit «zu hoch», «ausreichend» oder «zu niedrig» beantworten. Der Saldowert des gegenwärtigen Urteils zur Beschäftigung ist die Differenz der Prozentanteile der Antworten «zu hoch» und «zu niedrig». Ein Wert über Null deutet darauf hin, dass die Zahl der Beschäftigten gegenwärtig zu hoch ist, während ein Wert unter Null eine zu tiefe Belegschaft signalisiert.

 

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Konjunkturboard Ostschweiz

Das Konjunkturboard Ostschweiz beurteilt quartalsweise die konjunkturelle Entwicklung der Ostschweizer Wirtschaft in den Hauptbranchen Industrie, Detailhandel, Dienstleistungen und Bau. Das Konjunkturboard setzt sich von Seiten der IHK St.Gallen-Appenzell aus Alessandro Sgro, Chefökonom IHK, Jan Riss, wissenschaftlicher Mitarbeiter IHK, von Seiten der St.Galler Kantonalbank aus Caroline Hilb Paraskevopoulos, Leiterin Anlagestrategie, und Analyse SGKB sowie Beat Schiffhauer, Senior Konjunktur- und Finanzexperte SGKB, zusammen. Die Ökonomin und die drei Ökonomen kommentieren quartalsweise die Konjunkturlage in der Ostschweiz und bringen diese in den nationalen und globalen Kontext. Ergänzt wird das Gremium um Jérôme Müggler, Direktor IHK Thurgau, sowie Karin Jung, Leiterin Amt für Wirtschaft des Kantons St.Gallen. Diese breite Kombination bündelt verschiedene Kompetenzen und ermöglicht eine ganzheitliche sowie konsistente Einschätzung zur konjunkturellen Entwicklung in der Region.

Die Resultate und Analysen der aktuellen Umfrage können auf der neuen Plattform www.konjunkturboard.ch abgerufen werden. Hier finden sich zudem Kontaktinformationen der jeweiligen Konjunkturboard-Mitglieder.

Konjunkturindizes für die Kernregion Ostschweiz

Um auf schnelle, aber präzise Art und Weise ein systematisches Bild über die Verfassung der Ostschweizer Wirtschaft zu erhalten, sind gesamtwirtschaftliche Konjunkturindizes zentral. Für die Kernregion Ostschweiz stehen zwei Indizes zur Verfügung: Geschäftslageindikator und Stimmungsbarometer.

Der Geschäftslageindikator basiert auf monatlichen oder quartalsweisen Unternehmensbefra­gungen der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich zur aktuellen Einschätzung der Geschäftslage. Dabei geben die befragten Unternehmen ihre Einschätzung mit «gut», «befriedigend» oder «schlecht» an. Der Saldowert zwischen «gut» und «schlecht» – also die Differenz der Prozentanteile – widerspiegelt die aktuelle Geschäftslage. Je höher dieser ist, desto besser schätzen die Unternehmen die aktuelle Geschäftslage ein. Die Aggregation der branchenspezifischen Beurteilung der Geschäftslage ergibt den Geschäftslageindikator.

Der Stimmungsbarometer ist ein breit angelegter Indikator, der die Stimmung in Unternehmen und privaten Haushalten misst und dient dazu, das BIP-Wachstum zu verfolgen. Ein Wert über 100 deutet auf eine überdurchschnittliche wirtschaftliche Einschätzung hin, während Werte unter 100 eine unterdurchschnittliche Einschätzung signalisieren. Der Stimmungsbarometer ist so standardisiert, dass er meistens zwischen 90 und 110 Punkten liegt.

Die beiden Indikatoren werden gemeinsam von der IHK St.Gallen-Appenzell und der St.Galler Kantonalbank erhoben. Sie werden mit der gleichen Methodik berechnet wie die gesamtschweizerischen Indikatoren der KOF.

Die jeweiligen Konjunkturindizes können auf www.konjunkturboard.ch abgerufen werden. Sie werden monatlich aktualisiert.